Die Story einer Statistin
Freitag, der 12. September 2003

An diesem Morgen muss ich früh aufstehen, sehr früh, denn Antonello möchte mich um 7:30 Uhr in seinem Büro sehen.
Ich als Morgenmuffel, der morgens lieber schläft und etwas Zeit braucht um wirklich wach zu werden, mag es überhaupt nicht vor sieben Uhr aufzustehen. Und ich brauche nicht mal die Nase aus dem Fenster zu halten um sicher zu gehen, dass es an diesem Morgen in Gubbio eiskalt ist. Natürlich wird die Sonne sich später auch noch blicken lassen, dann wird es sehr heiß werden und ich bin den ganzen Tag am Piazza Grande, wo die Sonne ständig scheint. Aus diesem Grund ist es schwierig auszuwählen, was ich tragen soll, erst recht deswegen, weil ich Wechselkleidung für später mitbringen soll. Ich entscheide mich für Jeans, Stiefel (und ich weiß jetzt schon, dass ich das später bereuhen werde), ein leichtes Top und eine schwarze Lederimitatjacke. So verlasse ich also das Hotel und bin frohen Mutes, dass es mit einem leeren Magen so früh am Morgen nicht schwer sein wird mich zum Piazza Grande zu begeben.
Als ich zur verabredeten Zeit ankam, begab ich mich in Richtung Büro, dass gleich am Piazza Grande ist, aber niemand war dort anzutreffen. Da es sehr kalt war, floh ich ins Cafe "Ducale" um zu frühstücken.
Nach und nach trafen auch die anderen Statisten ein, dann auch Antonello, die Schauspieler und das Team, letztendlich auch die Sonne. Terence kommt auch sehr früh an, ich spreche ihn darauf an. Aber er antwortet mir voller Energie und sagt mir, wie schon so oft, dass er meine Jacke mag. Ich weiß auch nicht warum er mir jedes mal, wenn wir uns sehen, Komplimente über meine Kleidung macht.
Ich gehe dann mit den anderen Statisten meinen Vertrag unterzeichnen, heute sind wir eine richtig große Gruppe. In der ersten Szene geht es um den Wahlkampf vom bedauernswerten Kandidaten Daniele Fano, der ein sehr kurzes Leben haben wird, da er bald getötet wird. Mir ist diese Tatsache bekannt, weil ich eine Woche später wieder am Set war, dieses mal mit einem Daniele Fano Flyer, den ich in meiner Tasche gefunden habe. Jemand von der Crew sah dies und sagte zu mir: "Wir haben ihn gestern beerdigt!". Als Statist hat man die Möglichkeit Spaß an der Serie zu haben, ohne im Detail genau zu wissen was passieren wird.

Terence bereitet sich auf einen Dreh in seiner Soutane auf dem Fahrrad, mit einer Tasche voller Äpfel am Lenker, vor. Als ich ihn so sehe, kann ich nicht widerstehen, weil ich ihn schon seit meiner Kindheit in seinen Filmen Äpfel essen sehe und mich immer gefragt habe weswegen. So gehe ich also zu ihm und frage ihn:
- "Terence, mir ist aufgefallen, dass Du in fast all deinen Filmen einen Apfel isst. Warum eigentlich? Soll dadurch ein Glücksmoment vermittelt werden?"
- "Nein, ich bin nicht abergläubisch. In Wirklichkeit weiß ich es auch nicht, ich denke es ist einfach Zufall."
- "So war es also nicht gewollt ... aber Du magst Äpfel; ich sehe Dich oft welche am Set essen."
- "Ja, das ist wahr. Und es könnte gut möglich sein, dass ich manchmal welche während einer Drehpause gegessen habe und sie dann in einer Filmszene zuende verzehrte!"
- "Aber in vielen Deiner Filme war der Apfel auch Bestandteil des Drehbuches. Wie zum Beispiel durch das bekannte Sprichwort - se mangi le mele, ti va a gonfie vele (sprichwörtlich: Wenn man Äpfel isst, fährt man mit vollen Segeln)."
- "Wirklich? Wann habe ich das gesagt?"
Ich beschreibe ihm auf seine Frage eine ganze Szene aus Pari e dispari (Zwei sind nicht zu bremsen) und er muss lachen. Ich denke er muss viel Spaß daran gehabt haben diese Szenen und solche Filme zu drehen. "Aber welche Apfelsorte magst Du eigentlich am liebsten, Terence?" Er sagt: "Eine Weile mochte ich die Sorte limoncella, das war meine Lieblingssorte, aber ich kann sie nicht mehr finden...", und er zählt noch viel mehr Sorten auf, aber ich kenne keine einzige. Es ist offensichtlich, dass Terence ein Fachmann auf diesem Gebiet ist. "Was hat es mit Deiner Art und Weise auf sich, wie Du die Äpfel mit Deinen Händen teilst? Hast Du das erfunden?" Er denkt einen Moment nach und sagt: "Oh, nein! Ich habe jemanden beobachtet, der wusste wie man das macht und ich habe es mir selbst beigebracht, indem ich ihn nachahmte. Es ist sehr hilfreich, wenn man kein Messer dabei hat. Zudem lassen sich geteilte Äpfel besser essen, meinst Du nicht auch?".
Ich möchte noch gern weiter mit ihm reden, aber wir müssen zurück an die Arbeit.
Für die nächste Szene braucht man einen älteren Mann von uns Statisten. Der Regisseur fragt nach ihm und hat nun zwei Möglichkeiten zur Auswahl, während ich still an der Seite warte. Dann höre ich den Regisseur Andrea folgendes sagen: "Warum nehmen wir nicht lieber eine jüngere Frau?". Ich bin nicht wirklich eine junge Frau, aber man hält mich oft für jünger. Andrea kommt auf mich zu und fragt mich unverblümt, ob ich gern einen Satz widergeben möchte. Er weiß nicht wie glücklich er mich damit gemacht hat!
Man gibt mir einen Blumenstrauss, den ich der Kanditatin Laura Respighi übergeben soll, während ich dabei sage: "Danke dass Sie zurückgekehrt sind! Ich hoffe Sie gewinnen!" Der Satz ist einfach, wir proben dann die Szene und als ich die Blumen überreichen möchte, nimmt sie mir ihr Bodygard Linetti gewaltsam ab. Zur gleichen Zeit kommt Capitano Anceschi zu uns und fragt was los ist. Francesca, von der Crew, schlug den Satz: "Blumen haben noch nie jemanden getötet." vor. So musste ich auch diesen zu Linetti sagen, der mir gerade die Blumen entrissen hat. Aber dann erklärte man mir, dass ich dann auf Capitano Anceschi zugehen, ihm diesen Satz sagen und dann aus dem Bild gehen soll. Danach taucht Don Matteo auf, aber ich bin schon längst nicht mehr in der Szene dabei ... vedammt, ich habe gerade die Chance verpasst in einer Szene mit ihm zu sein. Dann drehen wir die Szene, aber es ist nicht so leicht.
Der Tontechniker bittet mich mit dem Papier, in das die Blumen eingewickelt sind, vorsichtig zu sein, es nicht zu sehr zu bewegen. Linetti sagt, ich solle sie etwas tiefer halten, sonst kann er sie mir schlecht entreißen. Der Kostümer kommt zu uns und sagt mir, ich soll meine Jacke zuknöpfen. Denn in der Szene ist es Winter und man könnte sonst meinen Bauch sehen.
Andrea, der Regisseur, bittet mich meinen Kopf entrüstet zu schütteln, wenn Linetti mir die Blumen aus Sicherheitsgründen entnimmt; anstelle dessen nahm ich meine Arme hoch und steckte sie in meine Taille, denn ich dachte das wäre nicht im Bild zu sehen. Giovanni, der Kameramann, sagt zu mir, dass ich meinen Satz beim nächsten Take drei Sekunden später sagen soll, nachdem ich die Blumen übergeben habe, denn ich war noch immer außerhalb des Bildes. Dann zeigte man mir genau, wo ich zu stehen hatte. Die erste Stelle ist auf dem Boden markiert, nachdem ich mich dann an eine andere Position begeben habe, tritt Capitano Anceschi ins Bild. Schließlich bittet mich der Regisseur meinen Satz zum Capitano etwas mehr verärgert zu sagen. Ich bin natürlich vorsichtig, denn er ist ein Capitano der Carabinieri und ich bin nur eine "junge Frau", so zeige ich einen gewissen Respekt vor ihm, der aber keinen Einfluss auf den Inhalt meines Satzes hat. Okay, so verursache ich etwas Anspannung und gehe aus dem Bild, aber ich muss noch ruhig sein, denn jetzt kommt Don Matteo mit ins Spiel und man filmt noch immer. Ich sehe zu Andrea rüber, der auf den Monitor schaut, dann sieht er mich an und gibt mir ein "OK" mit einem Daumen nach oben. Ich war also erfolgreich!
Ich war okay, aber wie gut war ich wirklich? Ich gehe zum Monitor um mir die Szene anzusehen. Um ehrlich zu sein, ich denke dass ich ziemlich schlecht war. Terence kommt später zu uns und fragt mich, ob ich mich gesehen habe und ob ich es nochmal sehen möchte. Ich möchte allerdings verhindern, mich zum Narren zu machen und sage zu ihm, dass ich die Szene schon gesehen habe. Dann lächelt er mich an mit seinen leuchtenden Augen und sagt mir dass ich großartig war! Terence ist so ein guter Mensch und weil er so ist, bewundere ich ihn; es macht ihm Spaß anderen Freude zu bereiten. Einmal hat mir jemand vom Set erzählt: "Terence ist ein Engel, der vom Himmel gefallen ist!" Und ich denke daran ist zumindest ein bißchen Wahrheit!

Federica       





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